The Revenant

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Sam Trautman
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The Revenant

Beitrag von Sam Trautman » Freitag 15. Januar 2016, 03:59

Leonardo DiCaprio im symbolischen Clinch mit Hollywood. Im Kampf um Anerkenung und den verdammten Goldjungen...

Alejandro G. Inarittu´s ( Birdman ) bemerkenswerteste Szene in The Revenant ist wohl Hugh Glasses ( Leonardo DiCaprio ) wilden Todeskampf mit einem gereizten Braunbären. Nicht weil diese brachiale Szene einem den Atem raubt und man niemals auf die Idee kommen könnte, dieser Kampf wäre nicht echt. Nein, die Szene spiegelt so in etwa den unermüdlichen Kampf wieder, den DiCaprio seit Jahren bestreitet. In The Revenant ist es der wilde Braunbär, dem er die Stirn bietet, in der Traumfabrik sind es die ignoranten Greise, die ihm den höchsten Preis verwehren- seit Jahren. An Bitterkeit und Tragik steht das echte Leben der Kunst in nichts nach. DiCaprio wurde weder für die Darstellung des Jordan Belfort in The Wolf of Wall Street ausgezeichnet noch für seine Rolle in Tarantinos Django Unchained als süffisant, schleimiger Plantagenbesitzer oder in Martin Scorseses Departed. Die Liste ist groß und der Bär ist es auch.

Doch egal wie widrig die Umstände in der Traumfabrik sein mögen, genau wie im Film kämpft und rackert er für alles unermüdlich. Vielleicht wird der im Untertitel lautende Name bald ein Running Gag wenn er gewinnen sollte und als "Rückkehrer" aufs Podium marschiert. Mit Superlativen ist es immer so eine Sache, wenn Wörter fallen wie, "überragend", "großartig" oder "beste Performance" denn schlussendlich sind es nur Adjektive, die etwas beschreiben sollen, das man sieht. Und so kann kein Superlativ auch nur annähernd beschreiben was man auf der Leinwand zu sehen bekommt. Der Kampf mit dem Bär. Der Kampf mit Hollywood. Inarritu schafft es den Kampf Mann gegen Hollywood oder Bären, egal wie man es sehen will, so zu zeigen dass er eben alles zeigt. Klingt verwirrend aber in den meisten Filmen in denen Bären, Krokodile oder anderes Getier auf den Menschen treffen ist es vor allem das, was man nicht sieht, was den Effekt ausmacht. Man denke nur an "Jaws" oder "Anaconda", hier wird so wenig wie möglich vom Tier gezeigt um eine möglichst reale Bedrohung zu schaffen. Tricktechnisch auch der Zeit geschuldet in der er spielt. In The Revenant ist es anders als bei all diesen Streifen, hier ist das was man sieht, atemberaubend. Ein bis aufs Blut aggressiver Braunbär, der sich entschlossen hat sein Opfer zu zerrupfen. Man ist unmittelbar Zeuge wie DiCaprio ums Überleben kämpft. Keine großen Schnitte, keine wilden Kamera Schwenks. Vor unseren Augen wird ein CGI Bär real. Er wird lebendig. Wahrhaftig ein Szenenbild für die Ewigkeit.

Gegen den Strom

Der neuen Kamera Ästhetik zum Trotz und das seit langer Zeit kann man guten Herzens sich auf Kamera Zauberer Emmanuel Lubezki verlassen. Der es gar nicht nötig hat auf den Zug der Schnittvergewaltiger Hollywoods auf zu springen. In der ersten langen Einstellung wird deutlich wie The Revenant über den gesamten Film vorhat vor zu gehen. In unaufgeregten Bilden das Geschehen begleiten. Nie hat man das Gefühl eine Choreographie zu sehen sondern mitten drin zu sein im echten Leben zu dieser Zeit. Wenn am Ufer des Flusses die Hölle losbricht die Gruppe der Trapper um Glass von Arikaree aufgerieben wird und das Geschehen unübersichtlich zu werden droht, behält der Zuschauer stets die Übersicht. Drohnenartig frei von allem schwebt die Kamera und führt durchs wilde Treiben. Angekommen und gerettet auf dem Bott beginnt jedoch erst die wahre Odyssee für die Gruppe der Trapper und sie lernen ein noch größeren Mistkerl kennen als den Mensch. Die Natur.

Und wenn das nicht genug wäre, bekommt DiCaprio einen nicht weniger talentierten Schauspieler zu Seite gestellt, der ihm alles nimmt. Tom "Bane" Hardy, wird zu DiCaprios Joker. Als Hardy dessen Sohn das Leben aushaucht und ihn selbst lebendig begräbt beginnt der Tanz. Begraben verlassen und blutend in der Ödnis, der Wildnis.

Leonardo dabei zu zusehen wie er sich wieder zurück ans Licht zu kämpfen muss, kotzend, spuckend, fauchend und Dreck fressend ist schon ganz ganz großes Acting. Wobei, Acting hier nicht das richtige Wort ist, wenn man die Interviews vergangener Tage verfolgt hat. In denen DiCaprio die unwirklichen Bedingungen des Sets und die Kälte als größten Feind beschreibt. Teile der Crew seien an die Grenze der Belastbarkeit gestoßen und verliesen das Set. Inarritu ist in dieser Hinsicht brutal und fanatisch. Um alles aus seinem Team zu pressen verlangte er ihnen nicht nur schauspielerisch alles ab sondern auch körperlich, durch die unbarhertzige Natur Canadas im Winter. So wird The Revenant für DiCaprio seine ganz persönliche Reise ins Herz der Finsternis. So wie es Martin Sheen einst erlebte als er Cl. Kuntz ( Marlon Brando ) in den Dschungel folgte. Was dabei herauskam war ein Monster an Film. The Revenant ist ein Monster unserer Zeit, indem DiCaprio einen weiteren Anlauf nimmt und dabei von einem Regisseur geführt wird, der ganz anders ist als Hollywood typisch. Zwei getriebene ihrer Kunst, zwei Geister, die an Charakteren interessiert sind. Kein Kratzen an der Oberfläche, Inarritu ist ganz nah bei seinen Figuren. Ganz nah am Schmerz, ganz nah am Gefühl. Stets darum bemüht in die Abgründe menschlicher Seelen hinab zu steigen, darin zu wühlen und das innere nach außen zu kehren. Für all das hat er seinen Schauspieler gefunden, der diese Magie im Kino sichtbar, erfahrbar für den Zuseher machen kann. Schmerz, Leid, Trauer, alles starke Gefühle, die hier nicht nur Worte sind sondern spitzige Pfeile mit denen Inarritu auf uns schießt, trifft und in der Wunde bohrt.

Der nackte Körper als Sprache

All das Lob, die Verneigung des Kritikers, das bisher geschriebene kann den Film auch in einem anderen Licht erstrahlen lassen. Nimmt man einmal dem Maßstab, dass ein Schauspieler auch möglichst viele Dialoge haben sollte in denen er sein Talent zeigen kann, wird es hier schwierig. Di Caprio bekommt im gesamten Film nur sehr wenig Gelegenheit etwas zu sagen, entweder ist es Gestammel, da er vor Schmerzen atmen kann oder er liegt des Öfteren geschwächt am Boden. Das der Dialog nicht unbedingt das entscheidende Kriterium ist welches eine herausragende Leistung kennzeichnet, zeigt uns DiCaprio hier. Denn Schauspiel ist auch Ausdruck von Mimik ohne das dabei eine Silbe die Lippen verlässt und natürlich das eins werden mit der Figur. Eins geworden ist er mit ihr. Und er benötigt eben nicht hundert Dialogzeilen um zu zeigen was am wichtigsten ist. Um zu zeigen was seine Figur fühlt und spürt. Was sie antreibt und wie schmerzhaft der Weg bis zur Erlösung ist. Wenn es sie überhaupt gibt in Bezug auf Rache. Was ist Rache? Warum handeln Menschen wie sie handeln? Was unterscheidet Glass von John Fitzgerald ( Tom Hardy )? Inarritu hat kein Interesse daran große Fragen zu stellen, so bleibt die Frage ob Rache Befriedigung verleiht oder ob sie alle in die Finsternis treibt, unbeantwortet. So ist der Gesichtsausdruck am Ende des Films von DiCaprio auch zu deuten, er weiß es einfach nicht. Die Kritik die man durchaus anbringen könnte an der Kolonialisierung der Indianer bleibt auch aus. The Revenant bleibt hier minimalistisch ganz bei seinem Rache Thema. Leider ohne dabei nach rechts und links zu schauen. Oder gar die Frage nach dem Sinn zu stellen. Einen leichten wenn auch kleinen Esoterischen Kontext, webt Inarritu dennoch in seine Geschichte ein und erklärt das Rache Thema am Ende in etwa so: "Die Rache liegt in den Händen des Schöpfers.." Was so aber weniger befriedigend ist das es eigentlich für den Film nichtssagend ist und erst recht nicht die offenen Fragen löst.

Begleitet oder noch besser gesagt zur richtigen Zeit auch gepeitscht wird The Revenant durch den minimalistischen Score von Bryce Dessner dem meist nur eine Abfolge einer Tonale genügt um den Nerv der Situation zu treffen. Niemals aufdringlich aber dennoch immer präsent und dem Film schmeichelnd. Ob Inarittu und sein Survival Experte den Goldjungen dieses mal holen weiß niemand. Aber DiCaprio wird nicht müde werden mit dem Bären zu ringen sollte er nicht obsiegen. Zurückkommen wird er immer wieder um sich ihm erneut zu stellen. Die einzige Frage wird sein was der Oscar aus ihm machen wird sollte er ihn tatsächlich gewinnen...Jeder Held braucht seine Antagonist. Batman hat seinen Joker, Leo hatte seinen Bären, wird er ihm genommen.....
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