Steve Jobs (Danny Boyle 2015)

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Sam Trautman
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Steve Jobs (Danny Boyle 2015)

Beitrag von Sam Trautman » Donnerstag 31. März 2016, 00:17

Steve wollte nicht dass seine Produkte geöffnet werden können. Niemand solle an das Innenleben seiner schmucken Geräte gelangen. Das Privileg ans Innenleben zu dürfen soll nur wenigen zu teil werden. Spezielles Werkzeug, so erfahren wir zu Anfang des ersten Akts sei von Nöten. Steve Jobs, so legt es uns Danny Boyles Biopic, über einen der einflussreichsten Männer unserer Zeit nahe, war ebenso gestrickt wie seine Produkte. Nur wenigen war es vergönnt sein Innenleben zu erleben. So bleibt das End to End System nicht nur ein System sondern immer auch ein Charakterzug seines Erfinders das er an jedes seiner Kinder weitergab die er erschuf...

Danny Boyle nähert sich dem Mythos, Mysterium, Genie Steve Jobs auf sehr unkonventionelle Art und Weise für ein Biopic. Statt vom romantischen Bild der Kollege Kids, die in Papas Garage Grandioses bauen zu erzählen kümmert sich Danny Boyle genau um die Passagen in Steve Jobs Leben, die ihn ausmachen und ihn als Mensch zeigen. Keine abgerundete Person sondern eine mit Ecken und spitzen Kanten. Wir erleben ihn in drei gleich langen Akten, jeweils 40 Minuten vor einer großen Produktpräsentation hinter der Bühne. Einmal 1984 bei der Vorstellung des Macintosh, 1988 beim Next und 1998 beim Vorstellen des iMac. Boyle zeigt kein einziges Mal wie Jobs sein Produkt vorstellt. Braucht er auch nicht. Wir alle kennen die Produkte von Apple. Werden jeden Tag auf neue im Fernsehen daran erinnert "wenn du kein iPhone hast, hast du kein iPhone". Boyle kann hier wunderbar ohne das anbiedern von Apple Produkten arbeiten denn das hat bereits die Werbung im realen Leben schon für ihn erledigt, die uns Jahrzehnte lang Apple Produkte ins kollektive Gedächtnis gehämmert hat. Vom Knirps bis zum Greiß, die für das iPhone typische Wischbewegung kennt jeder.

Die Welt schöner denken

Auf diese Weise kann sich das Steve Jobs das wirklich spannende und ergreifende konzentrieren. Den Focus gebündelt auf den Dirigent des Orchesters wie er sich selber gerne nennt und sieht. Steve Jobs ist kein Biopic aus der Sicht eines Apfeljüngers. Hier wird kein Thron bereitgestellt auf den sich Michal Fassbender ( Steve Jobs ) lümmeln könnte. Auch keine Laudazio gehalten auf einen Mann, der die Welt für uns schöner dachte. Durch die verschiedenen zeitlichen Abstände wird ein eher kurzer Zeitraum von 14 Jahren abgedeckt, Boyle schafft es aber durch die unheimliche Dichte der Dialoge, den Geschehnissen vor der Präsentationen und der großartigen Performance des ganzen Casts dem Konsument das Gefühl zu geben nach sehen des Films, Jobs sehr nahe gekommen zu sein. Niemand von uns wird ihn je persönlich gesprochen haben, geschweige denn ihm die Hand geschüttelt haben aber berührt hat er uns mit seinen Ideen alle schon einmal.

Die Liebe zum Detail in Danny Boyles Steve Jobs wird im wahrsten Sinne des Wortes erst sichtbar durch eine weitere Detailliebe. Für jeden der drei Akte verwendete Kameramann Alwin H. Küchler ein anderes Bildformat, immer exakt jenes welches zu dieser Zeit üblich war. So sieht der Konsument nicht nur Standardmäßiges HD wie im Schlussakt des Films, sondern kommt auch in den Genuss von 16mm Film sowie 35mm im zweiten Akt. Das Bild passt sich seiner Zeit an und rundet das Packet des Films ab.

Fassbender spielt nicht....

Apple steht für Innovationen. Apple steht für exakte Formen, wie etwa dem iPhone Design oder der von Jobs entwickelten Black Box mit seiner eigens dafür gegossenen Gussform für sagenhafte 650.000 USD. Apple steht aber auch für Veränderung. Da schlägt sich der Bogen zum Hauptdarsteller, der diese Apple eigenen Attribute seit jeher als sein Markenzeichen ins sich trägt. Veränderung wäre sowas wie das Trademark des überragenden Michael Fassbender. Ob als leidender Sexjunkie in Shame, Grausamer Macbeth oder als Obermotz Magneto in den X Men Filmen. Veränderung und Weiterentwicklung zu immer noch exakteren Performances, bis an den Rand der Selbstaufgabe und zur völligen verschmelzen der Rolle mit dem Ich. Fassbender spielt nie, er ist die Rolle. Um Haares breite wäre die Rolle des Steve Jobs Christian Bale zugefallen. Bale kann tausend und eine Emotion nachstellen hat dabei aber immer nur ein und denselben Gesichtsausdruck zu bieten. Eine Mischung aus dem Gesichtsausdruck von den Ratiopharm Girls, die gerade für Verstopfungstabletten werben gepaart mit einem überheblichen hemdsärmlichen Grinsen. Steve Jobs wäre so viel verloren gegangen. Die Wahl fiel aber auf Fassbender, alles gut. Überhaupt ist der Mann sowas wie der Schwarzenegger der Neuzeit. Früher als noch nackte Oberkörper und eine Vierecks Kopfformen Kasse machten, war der Name Schwarzenegger gleichbedeutend mit einem Riesen Erfolg und dem unausweichlichem Geldsegen. Bei Steve Jobs ist es zwar mit dem Geldsegen etwas anders da er allgemein etwas floppte aber das entscheidende Faktum bleibt. Die hohe Qualität Wo Fassbender draufsteht, steckt ganz ganz großes Kino drin. Die Schwarzenegger Garantie der Neuzeit! Nicht in Bezug auf einen Geldsagen aber mit einer viel wertvolleren Ware – Qualität.

Der kleine Kasten der die Welt bedeutet

Irgendwann Mitte des Films, Ende des Zweiten Aktes, frägt Steve Wozniak ( Seth Rogen mal wieder in der Rolle des Dauernervers ) seinen Standby Kumpel Jobs was er eigentlich tue. Er sei kein Programmierer. Kein Designer und kein Grafiker. Jobs nüchterne Antwort " Ich spiele nicht im Orchester ich bin der Dirigent ". Ein Satz der auf T-Shirts, Poster oder Tassen gehört. Jobs war nie bestimmt für einen Schreibtisch, die Baugrube oder eingezwängt in irgendwelche Muster, Regeln und Konventionen. Sein Kredo "Think. Different" drückt es genauso aus wie sein Geist arbeitet. Jobs schart die besten Musiker um sich, die Idee entspringt seinem Kopf. Die Hände zum Umsetzen sind seine Musikanten. Wie das Instrument gespielt werden muss ist nicht wichtig nur die Melodie, das Endprodukt. Zum Ende des Films hin gewinnt man den Eindruck das Jobs trotz seiner unkompatiblen Art und dem nicht zu durchdringenden Panzer ein wahrer Menschenfreund war.

"Ich hasse den Anblick deines Walkmanns. Ich stecke dir tausend Lieder in die Brusttasche."

Vielleicht war es seine Aufgabe auf Erden das Leben etwas schöner zu machen. Oder anders gesagt das Leben in ein Gerät zu packen das fast wie ein natürliches Körperteil zu uns gehört. Wer schon mal den Akku leer hatte und von der "Welt" abgeschnitten war weiß was ich meine. Das Leben hat sich seit Jobs für die meisten Leute verlagert, hinein in ein 30x40mm großes Kästchen.
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