Habe schon länger angefangen, eine Antwort zu tippen, komme aber jetzt erst dazu, sie fertigzuschreiben und einzustellen:
Taipan hat geschrieben: ↑Dienstag 15. Februar 2022, 06:36
Musst ja nicht Netflix schauen, wenn du keine Lust dazu hast oder aus Prinzip oder weil deine Internetverbindung zu schlecht ist oder weil Du es doof findest. Das ändert aber weder am Preis/Leistungsverhältnis noch an der Qualität des Angebots etwas.
Klar, ich mache diesbezüglich, worauf ich Lust habe, und alle anderen haben selbstverständlich auch jedes Recht, das zu tun. Ich versuche hier ja nicht, irgendwem etwas auszureden, sondern überlege - natürlich vor dem Hintergrund, wie ich das persönlich empfinde, denn einen anderen Erfahrungsschatz habe ich nicht - wie die Zielgruppe, zu der ich wohl auch gehöre, das sehen und wie sie sich verhalten könnte.
Nominierungen und Preise sind sicherlich (jedenfalls weitgehend; Ausnahmen bestätigen die Regel

) ein Kriterium für Qualität, aber natürlich noch kein Kriterium für persönliches Gefallen. Ich finde mich da häufig zwischen allen Stühlen wieder, da mir die "kommerziellen" Preise oft zu flach und die "künstlerischen" Preise oft zu abgefahren sind...
Wirklich verwunderlich finde ich übrigens die 12 Oscar-Nominierungen für The Power of the Dog. Zugegebenermaßen ohne ihn selbst gesehen zu haben, aber was ich an Kritiken gehört/gelesen habe, war doch ziemlich verhalten. Die ein oder andere Darsteller-Nominierung hätte ich verstanden, aber so geballt und auch in den allgemeinen Kategorien finde ich seltsam.

(Wie ich mittlerweile gesehen habe, sehen einige von euch das in den Forum-Charts ähnlich.)
Manchmal habe ich den Eindruck, bei den Jurys greift das gleiche Phänomen um sich, das bei den jüngeren Leuten schon länger der Fall ist: Nämlich dass ein Film oder eine Serie von/bei Netflix (oder auch Amazon) automatisch mehr Aufmerksamkeit bekommt und als interessanter, außergewöhnlicher, cooler wahrgenommen wird als eine sehr ähnliche Produktion, die ins Kino oder Free-TV kommt, womit eher eine Erwartungshaltung von langweilig und altbacken einhergeht. Bei den Jurys vielleicht noch kombiniert mit einer Art Bewertungs-Bias, weil noch Erstaunen herrscht, dass "die auch sowas machen", während man von etablierten Qualitäts-Produzenten "sowas" erwartet und natürlich auch mit hochwertigen früheren Produktionen vergleicht.
Ich fände das Experiment interessant, Leuten Trailer mit der Ankündigung "bei Netflix" und mit "im Kino" oder "bei TV-Sender xy" vorzuspielen und zu erfassen, ob derselben Film / dieselbe Serie dann unterschiedlich eingeschätzt wird.
Taipan hat geschrieben: ↑Dienstag 15. Februar 2022, 08:01
Ich kündige Netflix auch gerne mal zwischendurch, weil es nicht genug gibt, was mich anspricht. Allerdings gucke ich es auch bereits seit vielen Jahren und habe alles was mich aus dem Katalog interessiert bereits gesehen. Jemand der noch nie ein Abo hatte, wird aber mit Sicherheit Monate zu tun haben alles zu gucken, was ihn oder sie interessiert.
Das ist natürlich richtig, aber man darf nicht vergessen, dass Leute jenseits eines erweiterten Jugendalters, wenn man erstmal im Beruf steht, einen Haushalt führt, Familie hat, vielleicht Eltern pflegen muss, mehrheitlich nicht mehr das Problem haben, nichts mit sich anfangen zu können und auf der Suche sind nach Möglichkeiten, um die Zeit totzuschlagen. Sondern sie haben im Gegenteil chronisch zu wenig Zeit, müssen diese sehr sorgfältig priorisieren und legen dabei oft auf andere Dinge Wert als das ganze Wochenende vor dem Stream zu hängen. Die Vorstellung, auf Netflix jemals alles aufzuholen, was sich über Jahre an interessantem Material angesammelt hat (womöglich zusätzlich zu den ja ebenfalls monatlich in Massen eingestellten neuen Sachen) ist da einigermaßen absurd.
Mir geht's z. B. so, dass ich mir irgendwann demnächst mal einen Netflix-Monat genehmigen werde (ich hoffe, jetzt ist keiner von euch vor Schreck in Ohnmacht gefallen

). Jetzt bin ich natürlich am Überlegen, ob ich neben dem konkreten Anlass dafür nicht noch etwas anderes anschauen sollte. Nicht, weil ich die 7,99 sonst nicht als lohnenswert empfinden würde, sondern weil es eine Gelegenheit ist, die sich wahrscheinlich nicht so schnell wieder bietet.
Das Problem ist allerdings: Wie soll ich da auswählen und priorisieren, zumal klar ist, dass meine Zeit für "Zusatzsichtungen" ziemlich eingeschränkt sein wird?
Ich dachte immer, dass ich, wenn ich mal Netflix habe, Dark anschauen würde. Aber jetzt, wo es soweit ist, merke ich (mal abgesehen davon, dass 26 Folgen meine Kapazitäten deutlich überschreiten dürften, sofern ich nicht extra eine Woche Glotz-Urlaub nehme

), dass es mich eigentlich gar nicht mehr reizt. Scheint so, dass ich damals die aufgeregte Begeisterung naiv für bare Münze genommen habe, mittlerweile aber einfach zu viele als "nie dagewesen, ungewöhnlich und besonders" gehypte Serien kommen (und vor allem gehen) gesehen habe.
Und ich habe auch zu oft miterlebt, wie es bei Serien meistens läuft: Die erste Staffel ist noch schön stringent, hat aber leider keinen befriedigenden Abschluss, weil man sich ja die Option offen lassen will, bei Erfolg weitere Staffeln zu drehen. Mit weiteren Staffeln wird dann zwecks möglichst langer Ausnutzung immer mehr gestreckt, abgelenkt, draufgesetzt und am Ende kann überhaupt keine Auflösung mehr befriedigend für das ganze vorangegangene Brimborium sein.
Taipan hat geschrieben: ↑Mittwoch 16. Februar 2022, 06:29
5. Das Angebot auf neue Zielgruppen ausrichten. Der Altersmedian hat sich bei Netflix in den letzten Jahren immer weiter nach hinten verschoben (momentan 35 - 44 Jahre) und wird dies auch in Zukunft tun.
Man darf aber nicht außer acht lassen, dass das genau die Generation ist, die Netflix unter Umständen "für die Kinder" hat. Natürlich schauen dann evtl. auch mal die Eltern etwas an, aber ob sie es auch "nur für sich" abonnieren würden, ist eine andere Frage.
Es könnte auch sein, dass der Anteil der jüngeren Abonnenten darunter leidet, dass sie, weil sie weniger Geld zur Verfügung haben, angesichts des gestiegenden Streaming-Angebots vermehrt Abo-Hopping betreiben, und somit in der Statistik immer ein Teil von ihnen fehlt.
Mara
2023: 50 x, 364 €, TOP: Was man von hier aus sehen kann, Close, Sonne und Beton, Die Aussprache, Das Lehrerzimmer, The Whale, Divertimento, One for the Road, Anatomie eines Falls, Dogman