Krieg der Welten (War of the Worlds)

Von 1895 bis heute...
Antworten
Benutzeravatar
Agent K
Du wirst vermisst!
Beiträge: 4359
Registriert: Freitag 12. Juli 2013, 22:34

Krieg der Welten (War of the Worlds)

Beitrag von Agent K » Sonntag 12. Januar 2014, 18:53

Die Vorlage (1898):

Neben Mary Shelley oder Jules Verne war der britische Schriftsteller H.G. Wells fraglos einer der großen Pioniere der "Science-Fiction". Und ebenso fraglos war sein 1898 erstmals in Buchform veröffentlichter Roman KRIEG DER WELTEN (The War of the Worlds) die "Mutter aller Alien-Invasionen", denen die gute alte Erde seither immer wieder regelmäßig zum Opfer fällt. Auf dem Mars, unserem roten Nachbarn, benannt nach dem römischen Kriegsgott, hatte Giovanni Schiaparelli erst wenige Jahre zuvor die seltsamen "Kanäle" erspäht, und die Entfernung von mindestens 55 Millionen Kilometern (bei Periheloppositionen) markierten seinerzeit eine unüberwindbare Distanz - zumindest für uns Erdbewohner. Und somit war er die ideale Ausgangsbasis für umtriebige Invasoren.

Die Invasion selbst, erzählt aus der Perspektive eines namenlosen Protagonisten in England, mag aus heutige Sicht nicht besonders spektakulär wirken. Technische Überlegenheit in Form von dreibeinigen Kampfmaschinen, denen das erst beginnende industrielle Zeitalter der Erde nichts entgegenzusetzen hatte, reichen als Exposition für ein globales Armageddon völlig aus. Manche mögen die "Invasion" auch als Seitenhieb auf die Kolonialpolitik des britischen Empires werten, oder als frühe Warnung vor kollektiver Technologiehörigkeit, aber "innovativ" ist selbst heute noch die geradezu darwinistische Auflösung: Denn anders als im heutigen Mainstream werden die außerirdischen Technokraten eben nicht von patriotischen Sprücheklopfern nach Hause geprügelt...

The War of the Worlds bei Project Gutenberg (gemeinfrei)


Das Hörspiel (1938):

Zum Ende der Weltwirtschaftskrise waren Rundfunkempfänger halbwegs flächendeckend verbreitet und etablierten Zeitungen erwuchs dadurch bzgl. Aktualität und Werbeeinnahmen eine ernsthafte Konkurrenz. Das vom damaligen Theaterschauspieler Orson Welles (nicht verwandt oder verschwägert mit H.G. Wells) mit begründete "The Mercury Theatre on the Air" sendete wöchentlich für das Radio aufbereitete Klassiker der Literatur (u.a. auch Bram Stoker's Dracula oder Die Schatzinsel), und am 30. Oktober 1938 (Halloween!) eben schließlich "War of the Worlds". Die Handlung wurde nach "Grover's Mill, New Jersey" verlegt, und die Erzählperspektive (heute wohl "POV") der Vorlage wich einer durch "Augenzeugen" und "Experten-Interviews" begleiteten Berichterstattung, eingebettet in übliches Musikprogramm... der Rest ist sprichwörtliche "Geschichte"...

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Xs0K4ApWl4g[/youtube]

Heute ist unstrittig, dass der von Presse/Zeitungen anschließend veranstaltete Wirbel wesentlich größer war als die propagierte "Massenpanik". Es war einfach eine ideale Gelegenheit der ungeliebten Konkurrenz "Verantwortungslosigkeit" vorzuwerfen. Dennoch war es auch ein früher Fingerzeig auf die manipulative Wirkung der "neuen Medien", deren Potenzial auch umgehend von der Propaganda des 3. Reiches instrumentalisiert wurde. Und für Orson Welles war es der Turbo Boost für eine Film-/Regie-Karriere, denn anschließend wurde das "Wunderkind" von RKO nach Hollywood gelockt, wo sein erstes Projekt dann CITIZEN KANE sein sollte. Aber das ist eine eigene Geschichte...

Kampf der Welten (Byron Haskin, 1953)

Als der Produzent und Trickfilmspezialist George Pal (DER JÜNGSTE TAG, DIE ZEITMASCHINE) rund 50 Jahre und zwei Weltkriege nach Veröffentlichung des Buches die erste Leinwandadaption mit Regisseur Byron Haskin realisierte, hatte diese inhaltlich nur noch wenige Schlüsselelemente mit der Vorlage gemein und wirkt eher wie eine bebilderte Spielfilmversion des Hörspiels. Nach dem 2. Weltkrieg hatten die Kriegsschiffe ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit und ihren Status als Ultima Ratio der Waffengewalt längst eingebüßt, also wurde die "Thunder Child", die in der Vorlage zumindest noch einen aufopferungsvollen Achtungserfolg gegen die Aliens erzielen durfte, weggelassen. Und da die außerirdischen "Tripods" über Stop-Motion kaum zu realisieren waren, wurden sie durch rochenartige Flugmaschinen mit Schwanenhals ersetzt. Bemerkenswert ist auch die rührende Leutseligkeit, mit der die Invasoren mit einer weißen Fahne und einem freundlichen "Willkommen in Kalifornien" begrüßt werden (wie dereinst Hernán Cortés von den Azteken), sowie die Weltoffenheit des lokalen Pfarrers, der auch Außerirdische erstmal großzügig in "Gottes Schöpfung" einschließt. Was für ein geradezu aberwitziger Kontrast zu neuzeitlichen Shoot-First-Parolen wie etwa BATTLESHIP...

Ansosten präsentiert sich KAMPF DER WELTEN als typisches Kind seiner Zeit (DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT, DER TAG AN DEM DIE ERDE STILLSTAND, ALARM IM WELTALL), wo im Kontext des Wettrüstens beiderseits des eisernen Vorhanges vermeintliche Kommunisten genau so erbarmungslos aufgespürt wurden wie Aliens. Und so besiegelt dann auch das Scheitern der Atombombe die endgültige Niederlage gegen die Invasoren. Aus heutiger Sicht mag KAMPF DER WELTEN daher durchaus etwas altbacken und teilweise lachhaft daher kommen, und mir persönlich erschien auch die kirchliche Moral etwas zu aufdringlich, aber die oft gewählte Klassifizierung als "B-Movie" trifft sicherlich nicht zu. Die SFX waren für ihre Zeit wegweisend (für Gordon Jennings gab es einen Oscar), und auch teuer. Und im Grunde war der Film derartig stilbildend, dass selbst Filme wie INDEPENDENCE DAY nur noch etablierte Ideen neu aufwärmen konnte, wie etwa die Einigung der zerstrittenen Nationen der Erde, die sich endlich zusammenraufen müssen, um gegen eine außerirdische Bedrohung zu bestehen...

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=m_DUxdhdSyk[/youtube]


...to be continued...

Benutzeravatar
Agent K
Du wirst vermisst!
Beiträge: 4359
Registriert: Freitag 12. Juli 2013, 22:34

No-one would have believed...

Beitrag von Agent K » Sonntag 26. Januar 2014, 11:27

Jeff Wayne's Musical Version (1978):

"Ulla-a-a…!" - Das Konzeptalbum von Jeff Wayne war dann schließlich mein persönlicher Erstkontakt mit dem Krieg-der-Welten-Kanon. Bezüglich Erzählstruktur und Inhalt kommt die Musical Version von allen bisherigen Adaptionen der Vorlage wohl am nächsten. Eine Art Hörspiel, die exemplarische Kapitel des Romans musikalisch interpretiert:

LP 1
1. The Eve Of The War
2. Horsell Common And The Heat Ray
3. The Artilleryman And The Fighting Machine
4. Forever Autumn
5. Thunder Child

LP 2
1. The Red Weed (Part 1)
2. The Spirit Of Man
3. The Red Weed (Part 2)
4. Brave New World
5. Dead London
6. Epilogue (Part 1)
7. Epilogue (Part 2)

Der namenlose Protagonist wurde durch den Journalisten "George Herbert"* (*Herbert George Wells) ersetzt, gesprochen von keinem Geringeren als Richard Burton, und er führt als Erzähler durch die Geschichte. Und für die Lieder konnten namhafte Interpreten wie Justin Hayward (The Moody Blues), Chris Thompson (Manfred Mann’s Earth Band), David Essex, Phil Lynott (Thin Lizzy), oder Julie Covington gewonnen werden. Der dominierende 80er-Jahre Synthesizer-Pop mag fraglos nicht jedermanns Sache sein, das Doppelalbum ist mittlerweile aber ein echter Klassiker und eines der erfolgreichsten Alben der Welt. Ich habe es selbst noch als Vinylscheibe mit Endlosrille im Schrank stehen, und gelegentlich landet es auch noch auf dem Plattenspieler. Und besonders die melancholische Ballade "Forever Autumn" lässt auch heute noch plastische Filmbilder vor meinem inneren Auge entstehen. Dieses "Konzept" ist also durchaus aufgegangen...

1980 gab es auch noch eine deutsche "Synchro" (Curd Jürgens als George Herbert), und seit 2006 eine weltweite Live-Tour durch diverse Länder. Dazu wurde sogar eine digitale Reinkarnation von Richard Burton und ein computeranimierter Film geschaffen, die einen zusätzlichen optischen Rahmen liefern...


Krieg der Welten (Steven Spielberg, 2005):

Rund 50 Jahre nach dem ersten Film wagte sich schließlich auch Großmeister Steven Spielberg persönlich an eine filmische Neuinterpretation. Auch er verlegt die Handlung in die Gegenwart, und wie im Hörspiel von Orson Welles wählt er New Jersey als Handlungsort, wo der Container-Kranführer Ray (Tom Cruise) ausgerechnet am Tag der Invasion die gemeinsamen Kinder seiner Ex-Frau am Hals hat. Spielberg orientiert sich deutlicher an Byron Haskins Vorbild als an Wells literarischer Vorlage. Es ist ein Remake, in dem einige Passagen der 53er-Version praktisch 1:1 nachgebildet werden. ILM liefert nun zeitgemäße SFX und beeindruckende "Tripods" aus dem Computer, deren "Ulla-a-a…!" (Musical Version) weicht einem apokalyptischen "Nebelhorn", neben dem selbst die Trompeten von Jericho wie sanftes Flötenspiel wirken mögen (die Sound-Oscars gingen aber trotz Nominierung alle an KING KONG). Und aus deren altbackenen Hitzestrahlen wurde eine Art "Desintegrator" bzw. "Zapper" gemacht, der die Opfer in PG-13-kompatible Staubwölkchen verwandelt, von denen nur noch die Kleidung übrig bleibt...

Die Invasoren kommen nun nicht mehr explizit vom Mars, sondern von "irgendwo da draußen", und auch in der Erzählform wählt Spielberg einen anderen Ansatz. Während Byron Haskins Vorbild oder neuzeitliche Ableger wie INDEPENDENCE DAY meist eine "VIP-Perspektive" an Bord der Airforce One, dem Oval Office, oder zumindest in den Reihen der militärischen Entscheidungsträger wählen, schildert Spielberg die Ereignisse aus der Sicht eines "Normalos". Und die daraus resultierende "Ahnungslosigkeit", ohne Information über funktionierende Massenmedien, im Chaos zusammenbrechender Sozialstrukturen, die Trennung von Familien und die Sorge um das Schicksal der Angehörigen, die Konfrontation mit den 'Randerscheinungen' eines globalen kriegerischen Konfliktes, ist ausgesprochen intensiv. Das funktioniert selbst ohne Außerirdische als explizites Feindbild, und wirkt daher recht authentisch und glaubhaft...

Natürlich hat auch KRIEG DER WELTEN einige Macken. Der Sohnemann ist eine ausgesprochene Nervensäge und in seiner egozentrischen Aufmümpfigkeit einfach unglaubhaft. Aber man kann sich seine Kinder ja auch im echten Leben nicht aussuchen. Warum da mal Uhren, Autos, oder auch Handycams funktionieren, und dann wieder nicht, folgt auch nicht unbedingt den aufgestellten Gesetzen. Und auch die sentimentale "Familienzusammenführung" ganz am Ende markiert einfach mal wieder einen typisch Spielberg'schen Kompromiss, der sich einem kompromisslosen Ende traditionell verweigert. Dennoch ist KRIEG DER WELTEN für mich ein höchst beeindruckender Film in dem Spielberg beweist, dass er noch immer "Magic Moments" des Staunens setzen kann. Und es ist bis heute der einziger Film, den ich mir zweimal am Starttag im Kino reingezogen habe...

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste